Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie (Herzberg, Mausner, & Snyderman, 1959) zählt zu den Inhaltstheorien der Arbeitsmotivation. Sie basiert auf der Annahme, dass Zufriedenheit und Unzufriedenheit keine Endpunkte einer bipolaren Skala sind. Stattdessen wird angenommen, dass Zufriedenheit und Unzufriedenheit zwei voneinander unabhängige Dimensionen darstellen. Herzberg nimmt also an, dass das Gegenteil von Zufriedenheit nicht Unzufriedenheit, sondern „Nicht-Zufriedenheit“ bzw. die Abwesenheit von Zufriedenheit ist. Umgekehrt ist auch das Gegenteil von Unzufriedenheit nicht Zufriedenheit, sondern die Abwesenheit von Unzufriedenheit, oder „Nicht-Unzufriedenheit“ (Herzberg, 1986).
Um herauszufinden, welche Faktoren die Zufriedenheit und Unzufriedenheit beeinflussen, führten Herzberg et al. eine Befragung durch, die auf der Methode der kritischen Ereignisse (Critical Incident Technique) basierte. Sie befragten insgesamt 1.685 Personen verschiedener Branchen und Positionen, welche Ereignisse in der Vergangenheit zu besonders großer Zufriedenheit und welche zu besonders großer Unzufriedenheit geführt hatten. Dabei stellte sich heraus, dass Zufriedenheit und Unzufriedenheit von unterschiedlichen Ereignissen unterschiedlich stark beeinflusst wurden. Ereignisse, die den Inhalt der Arbeit bzw. die Tätigkeiten betreffen (intrinsische Faktoren), führten häufig zu Zufriedenheit, aber nur selten zu Unzufriedenheit. Ereignisse, die sich auf den Arbeitskontext beziehen (extrinsische Faktoren), führten hingegen häufiger zu Unzufriedenheit und nur selten zu Zufriedenheit.
In Analogie zur medizinischen Hygiene nannte Herzberg die zu Unzufriedenheit führenden Faktoren Hygienefaktoren. Diese sind zur Erreichung von Zufriedenheit zwar notwendig, aber nicht ausreichend. Im besten Falle können hoch ausgeprägte Hygienefaktoren dazu führen, dass man nicht unzufrieden ist. Faktoren, die zu Zufriedenheit führen, nannte er Motivatoren. Im Gegensatz zu den Hygienefaktoren können die Motivatoren ein Ansporn zu höheren Leistungen sein. Sind sie gering ausgeprägt, führt dies aber nicht sofort zu Unzufriedenheit, sondern zu einem neutralen Zustand der Nicht-Zufriedenheit.
Kritik an der Zwei-Faktoren-Theorie
Die Zwei-Faktoren-Theorie sah sich vielfacher methodischer und inhaltlicher Kritik ausgesetzt (zusammenfassend: House & Wigdor, 1967): Die Unterteilung in Hygienefaktoren und Motivatoren ist alles andere als eindeutig. In einer erneuten Auswertung der Originaldaten kamen House und Wigdor (1967) zu dem Ergebnis, dass Leistung und Anerkennung (Motivatoren) häufiger mit Unzufriedenheit in Verbindung gebracht wurden als die Arbeitsbedingungen und das Verhältnis zum Vorgesetzten (Hygienefaktoren). Der Klassifikation ist daher eine gewisse Willkürlichkeit anzulasten.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Methode der kritischen Ereignisse. Menschen neigen dazu, Zufriedenheit eher auf ihre eigenen Leistungen und Erfolge zurückzuführen, für negative Ereignisse hingegen eher die Umwelt, z. B. schlechte Arbeitsbedingungen oder das Management, verantwortlich zu machen (Vroom, 1964). Die gesamte Theorie hängt daher stark von der gewählten Methode ab, mit der die initialen Daten erhoben und ausgewertet wurden.
„It seems that the evidence is now sufficient to lay the two-factor theory to rest, and we hope that it may be buried peaceably.“ (Dunnette, Campbell, & Hakel, 1967, S. 173)
Versuche, Herzbergs Ergebnisse mit anderen Methoden zu replizieren, waren größtenteils erfolglos (Dunnette, Campbell, & Hakel, 1967). In einer Studie von Hulin und Smith (1967) stellte sich heraus, dass Motivatoren und Hygienefaktoren sowohl die Zufriedenheit als auch die Unzufriedenheit beeinflussen. Auch die Annahme, Zufriedenheit und Unzufriedenheit seien qualitativ unterschiedliche Konstrukte, fand keine empirische Bestätigung. Viele weitere Studien haben gezeigt, dass der gleiche Faktor bei manchen Menschen zu Zufriedenheit, bei anderen hingegen zu Unzufriedenheit führen kann (House & Wigdor, 1967). Die Annahmen der Zwei-Faktoren-Theorie können inzwischen als widerlegt betrachtet werden, so dass die Theorie heutzutage nur noch von historischer Bedeutung ist.
Die Rückkehr der Zwei-Faktoren-Theorie?
Nachdem die Zwei-Faktoren-Theorie Ende der 60er Jahre von Dunnette und Kollegen beerdigt worden war, lebte die Debatte vor kurzem neu auf. Ausgangspunkt war eine Studie von Credé, Chernyshenko, Bagraim, & Sully (2009). Mithilfe von Faktorenanalysen fanden die Autoren heraus, dass Fragen zur Zufriedenheit und zur Unzufriedenheit auf unterschiedlichen Faktoren luden und dass die beiden so gebildeten Subskalen unterschiedlich mit positiven und negativen Verhaltensweisen zusammenhingen. So hing Zufriedenheit vor allem mit positivem Verhalten (z.B. helfen und unterstützen), Unzufriedenheit hingegen mit negativem Verhalten (z.B. streiten und faulenzen) zusammen. Die Autoren schlussfolgerten daraus, dass Zufriedenheit und Unzufriedenheit unterschiedliche Konstrukte sind.
Kam und Meyer (2015) zweifelten an diesem Ergebnis und machten methodische Mängel in der Arbeit von Credé und Kollegen dafür verantwortlich. Genauer gesagt nahmen sie an, dass die Ergebnisse durch nachlässiges Antwortverhalten (z. B. ständiges Zustimmen, ohne die Items zu lesen) verzerrt wurden. Daher wiederholten sie die Studie und kontrollierten dabei den Einfluss des Antwortverhaltens. Tatsächlich stellte sich heraus, dass ohne den Einfluss des Antwortverhaltens keine zwei Faktoren gefunden werden konnten. Auch die unterschiedlichen Zusammenhänge von Zufriedenheits- und Unzufriedenheits-Items zu anderen Konstrukten ergaben sich vor allem bei Personen, die den Fragebogen nachlässig beantwortet hatten. Die zweidimensionale Konzeption von Arbeitszufriedenheit bleibt somit weiterhin zweifelhaft.
„We […] found evidence of job satisfaction – dissatisfaction distinctions only among careless respondents. The findings of Crede ́ et al. (2009) on their own may thus be insufficient to support for a bidimensional interpretation of the construct.“ (Kam & Meyer, 2015, S. 20)
Quellen
Herzberg, F., Mausner, B., & Snyderman, B. (1959). The Motivation to Work. New York, NY: Wiley.
Vroom, V. (1964). Work and motivation. New York, NY: Wiley.