Fragt man Menschen, wieso sie täglich zur Arbeit gehen, wird die Bezahlung als einer der häufigsten Gründe genannt (Jurgensen, 1978). Fragebögen zur Erfassung allgemeiner Arbeitszufriedenheit beinhalten in der Regel die Frage, wie zufrieden man mit seinem Gehalt ist. Zwar weiß der Volksmund, dass „Geld allein nicht glücklich macht“, aber laut Marcel Reich-Ranicki ist es immer noch besser, „in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn“. Auch auf Führungsebene wird der Bezahlung häufig eine große motivierende Wirkung nachgesagt (Saari & Judge, 2004). Dass Bezahlung und Arbeitszufriedenheit zusammenhängen, liegt also nahe. Aber stimmt dies tatsächlich?
Der Korrumpierungseffekt
Die Motivationspsychologie liefert mit dem sogenannten „Korrumpierungseffekt intrinsischer Motivation durch externe Bekräftigung“ ein starkes Gegenargument. Dafür muss man zunächst den Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation kennen: Extrinsische Motivation entsteht durch selbst- oder fremdgewährte Belohnungen, kommt sozusagen „von außen“. Solche Belohnungen sind beispielsweise positives Feedback, die Gewährung eines Firmenwagens oder – die wohl häufigste Form der Belohnung – Geld. Intrinsische Motivation kommt demgegenüber „von innen“. Die Handlung selbst wird als positiv erlebt und um ihrer selbst Willen ausgeführt. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass sich extrinsische Anreize negativ auf die intrinsische Motivation und das Interesse an der Tätigkeit auswirken: Kindergartenkinder, die gerne Bilder malten (intrinsische Motivation), malten nach einer in Aussicht gestellten Belohnung (extrinsischer Anreiz) signifikant weniger als zuvor (Lepper, Greene, & Nisbett, 1973). Dieser als „Korrumpierung“ bezeichnete Effekt wurde vielfach in verschiedenen Variationen repliziert (Deci, Koestner, & Ryan, 1999).
Hängen Zufriedenheit und Bezahlung zusammen?
Um der Frage nach dem Zusammenhang von Bezahlung und Zufriedenheit auf den Grund zu gehen, machten sich Judge et al. (2010) gar die Mühe, knapp 100 einzelne Arbeiten zusammenzufassen und nach speziellen statistischen Verfahren auszuwerten, was auch als Meta-Analyse bezeichnet wird. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Bezahlung nur äußerst schwach mit der Arbeitszufriedenheit zusammenhängt. Selbst der Zusammenhang zur „Zufriedenheit mit der Bezahlung“ ist nicht viel größer! Die Autoren erklären das Ergebnis damit, dass nur Veränderungen und nicht die absolute Höhe des Gehalts ausschlaggebend sind. Sobald man sich an sein Einkommen gewöhnt hat (z. B. nach einer Gehaltserhöhung) trägt dieses nicht mehr aktiv zur Zufriedenheit bei (vgl. Judge et al. 2010).
Es kann also festgehalten werden, dass die Bezahlung entgegen landläufiger Meinung nur eine geringe Rolle für die Arbeitszufriedenheit spielt. Was bestimmt dann, ob man mit seiner Arbeit zufrieden ist oder nicht? Studien in verschiedenen Organisationen und für verschiedene Arten von Jobs haben immer wieder ergeben, dass es ist die intrinsischen Job-Charakteristika, also Merkmale der Tätigkeit selbst sind, die den größten Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit ausüben (vgl. Saari/Judge 2004).
Dies hat Implikationen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber (Judge et al. 2010): Arbeitnehmer, die glauben, ein hochbezahlter Job führe zu einer hohen Arbeitszufriedenheit, laufen u. U. Gefahr, den finanziellen Aspekt bei der Wahl ihrer Arbeit zu stark zu gewichten und dafür vielleicht sogar Einschränkungen wie längere Arbeitszeiten und größeren arbeitsbedingten Stress in Kauf zu nehmen. Letzterer übte in einer groß angelegten empirischen Untersuchung den stärksten negativen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit aus (Sousa-Poza & Sousa-Poza, 2000). Auch Arbeitgeber sollten sich der geringen Wirkung finanzieller Anreize auf die Zufriedenheit bewusst sein. Möchte man die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter steigern, reicht es nicht aus, die Gehälter zu erhöhen. Dies kann zwar kurzfristig motivierend wirken, nach einer Weile gewöhnt man sich jedoch an das höhere Gehalt und fällt wieder auf das Ausgangsniveau zurück. Vielmehr müssen Arbeitgeber an den intrinsischen Job-Charakteristika ansetzen, z. B. indem sie dafür Sorge tragen, dass die Arbeitsinhalte interessant gestaltet sind. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Autonomie der Mitarbeiter zu erhöhen. Der positive Einfluss selbstbestimmten Arbeitens konnte schon vielfach empirisch nachgewiesen werden (z.B. Benz & Frey, 2008; Nguyen, Taylor, & Bradley, 2003).
Quellen
Der Beitrag erschien ursprünglich in: Haarhaus, B. (2012). Mythen der Arbeitszufriedenheit. DGP-Informationen, 53, 39 – 43.